HammerFall

True Metal mit Melodie

(Interview mit Joacim Cans, Juni 1997)

Selten hat es eine Band geschafft, sich so schnell in die Herzen (und die CD-Sammlungen) der Fans zu spielen wie die True Metal-Newcomer von HAMMERFALL: Deren Debut "Glory To The Brave" schlug diesen Sommer direkt auf Platz 38 der LP-Charts ein. Da stellt sich nicht nur die Frage, wieso diese scheinbar altmodische Mucke solche Erfolge feiert, sondern auch, wie man anno 1997 überhaupt noch solche Musik machen kann.

Eine erste Voraussetzung scheint zumindest ein gewisses Maß an Humor zu sein. Zu diesem Schluß komme ich jedenfalls in den ersten paar Minuten des Telefonats mit HAMMERFALL-Sänger Joacim Cans, in denen die Unterhaltung ständig durch irgendwelche Kommentare aus dem Hintergrund unterbrochen wird ...

Das ist nur Oscar, der hier rumhängt und Faxen macht. Hier in Schweden wird heute die Mittsommernacht gefeiert, zu der eigentlich alle Urlaub haben. Wir sitzen hier rum, essen Fleisch und Kartoffelsalat und trinken ein paar Bier dabei. Nachher ziehen wir noch durch ein paar Kneipen.

Tja, dagegen ist die Mittsommernacht hier in Deutschland wohl eher langweilig. Interessant allerdings ist wiederum die Geschichte von HAMMERFALL, die Joacim im folgenden versucht, zusammenzufassen:

Die Band wurde 1993 von Oscar Dronjak, unserem einen Gitarristen, und Jesper Strömblad, den du vielleicht von IN FLAMES kennst, gegründet. Beide hatten vorher zusammen in CEREMONIAL OATH gespielt, die insgesamt zwei Platten veröffentlichten, glaube ich. Zu der Zeit, und auch für die ersten drei Jahre, waren HAMMERFALL aber erstmal nur ein Projekt. Jesper hatte dann ja IN FLAMES, und Oscar gründete CRYSTAL AGE. Zu der Zeit spielten in HAMMERFALL Musiker von IN FLAMES und DARK TRANQUILITY. Der Sänger von D.T. war auch HAMMERFALL-Vocalist bis 1996, als ich zur Band stieß. HAMMERFALL hatten in der ganzen Zeit nicht ein einziges Demo aufgenommen, und auch, als wir den Plattenvertrag an Land zogen, gab es kein Demo. Joacim Cans Aber wir hatten ein Live-Video von einem Band-Wettbewerb. Das entstand, als Mikael Stanne, der Sänger, gerade mit DARK TRANQUILITY auf Tour war. Die HAMMERFALL-Jungs fragten mich, ob ich Zeit hätte, diese eine Show mit ihnen über die Bühne zu bringen. Ich sang damals noch bei meiner eigenen Band MISSISSIPPI, stimmte aber zu. Und dann entwickelte sich alles prächtig. Wir spielten diese eine Show, merkten, daß wir gut miteinander klarkommen und dieselbe Art von Musik mögen. Während dieser Show nahmen wir halt die zwei Songs auf und schickten das Video zu Vic Records, der Company, bei der auch Oscars frühere Band CRYSTAL AGE unter Vertrag war. Und sie haben uns eine Chance gegeben und einen zweiwöchigen Studioaufenthalt finanziert. Daraufhin wurde das Album aufgenommen und veröffentlicht. Das war so das Wesentliche der Bandhistorie bis zum Release der Scheibe, aber auch in jüngster Zeit sind wieder Dinge passiert. Wir hatten einige Line-Up-Wechsel. Sowohl Jesper Strömblad als auch Glenn Ljungström spielen bei IN FLAMES, und da sie nicht in beiden Bands jeweils 100% bringen können, mußten wir sie bei HAMMERFALL ersetzen. Um's kurz zu machen: In der Band sind jetzt noch Stefan Elmgren, der zweite Gitarrist, mit dem ich bereits vor langer Zeit in einer Band namens HIGHLANDER zusammen gespielt habe, sowie Patrik Räfling, der Drummer. Vor vier Wochen mußten wir den Bassisten auswechseln, der doch lieber in seiner alten Band weiterspielen wollte. Er hat die Band genaugenommen schon im Januar verlassen, versprach aber, uns so lange auszuhelfen, bis wir einen Ersatz für ihn gefunden hätten. Dieser Ersatz heißt Magnus Rosen. Er spielte früher in einem Projekt zusammen mit Leuten von YNGWIE MALMSTEEN.

Jetzt hast du mir aber erstmal einiges an Namen um die Ohren geschmissen ...

Ja, schon wahr, aber die ganzen personellen Geschichten waren nötig, da wir wirklich hundertprozentig für HAMMERFALL arbeiten wollen. Da kann niemand in der Band gleichzeitig noch eine zweite Combo am laufen haben. Wir wollen niemanden in der Band haben, für den HAMMERFALL nicht erste Priorität besitzt. So ist es nun mal. Für Oscar war es mit Stefan, Patrik und mir okay, aber, wie gesagt, der Bassist mußte sich entscheiden und uns letztendlich verlassen. Aber nun haben wir ein komplettes Line-Up, und das wird auch recht stabil sein, denke ich.

Naja, zumindest seid ihr jetzt alles erfahrene Leute in der Band. Dennoch sind die Songs im Wesentlichen noch von Jesper geschrieben. Sind das alles ältere Sachen, aus der Zeit, in der Jesper noch zur Band gehörte?

Nein. Als wir das Album aufnahmen, war Jesper eigentlich noch in der Band. Zwei der Songs stammen von 1993, "Steel Meets Steel" und "Hammerfall". Allerdings haben wir auch diese beiden Songs vor den Aufnahmen nochmal überarbeitet, sowohl musikalisch als auch textlich. Die anderen Songs wurden erst im Sommer 1996 geschrieben, und zwar von Oscar, Jesper und mir. Und Jesper ist auch immer noch in der Band, als Songwriter wohlgemerkt. Und wir wollen die Zusammenarbeit mit Jesper auch beibehalten, nicht zuletzt, um den typischen HAMMERFALL-Sound zu bewahren.

Wie alt sind eigentlich die einzelnen Bandmitglieder? Auf den Promo-Fotos seht ihr noch ziemlich jung aus.

Oh, besten Dank. Leider sind wir so jung auch nicht mehr. Ich selber bin jetzt 27. Das Durchschnittsalter ist eigentlich 25, aber nur, wenn du den Bassisten wegläßt, reicht die Altersspanne von 23 bis 27. Magnus dagegen ist 34. Trotzdem ist er der richtige Mann für diese Band, denn er hat eine Menge Erfahrung, auch was die Live-Auftritte angeht.

Wie würdet ihr euren Musikstil selber einordnen? Power Metal? Traditional Metal? Oder was sonst?

Ich würde sagen: True Metal. Denn das ist die Art und Weise, wie Metal gespielt werden sollte. Es ist echter, schneller und melodischer Heavy Metal, mit einer starken Betonung auf den Melodien. Ich denke, Melodien sind bei dieser Art von Musik sehr wichtig.

Sind es denn auch die typischen Metal-Bands, die euch beeinflussen?

Ja klar. In meinem Fall sind das eine ganze Reihe von Bands, unter anderem IRON MAIDEN, HELLOWEEN, ACCEPT, oder auch eine deutsche Band namens STORMWITCH, die du wahrscheinlich kennst.

Ja. Oder sagen wir besser: Ich kannte sie vor etlichen Jahren.

Ich glaube, die haben sich vor fünf Jahren aufgelöst. Aber sie gehören immer noch zu unseren Lieblingsbands. Ansonsten natürlich WARLORD, und, um mal nur für mich zu sprechen, auch RIOT und DEMON. Speziell letztere gehören zu meinen absoluten Favoriten.

Eventuell auch BLIND GUARDIAN?

Ich mag einige ihrer Songs, aber wenn ich zuviel davon höre, wird es langweilig. Von den deutschen Bands ziehe ich RUNNING WILD, GAMMARAY oder HELLOWEEN vor. Ich bin in den Achtzigern aufgewachsen, mit deutschem Speed Metal, aber BLIND GUARDIAN würde ich jetzt nicht zu meinen Lieblingsbands zählen.

Ich denke allerdings, es gibt einige Ähnlichkeiten zwischen deren Musik und der euren, speziell, was die Melodien angeht, und der gesamte Stil als solcher, eben dieser Melodic Speed Metal.

Ich denke eher, du kannst HAMMERFALL einfach als ein Kind der Achtziger sehen. Wir haben einfach alles aufgegriffen, was wir an der Musik der Achtziger lieben, und haben es in die Musik der Neunziger gebracht. Und wir versuchen, aus den Einflüssen der Achtziger das Beste zu machen.

Eure Musik, oder der traditionelle Heavy Metal allgemein, scheint zwar wieder zu kommen, liegt aber momentan noch nicht so unbedingt im Trend. Was denkst du denn so über die Trends der letzten Jahre, etwa Hardcore, Black Metal, Gothic Metal, ...

Weißt du, wenn du dir heutzutage Death Metal anhörst, mußt du im Prinzip nur die Vocals aus der Musik entfernen, und du wirst sehen, daß sie unserer ziemlich ähnlich ist. Heutzutage werden eine Menge Melodien in die Songs eingebracht, wenn du sie jetzt mal mit dem Death Metal von vor vier oder fünf Jahren vergleichst. Ich denke, der melodische Heavy Metal, der Speed Metal, und der Power Metal kommen wieder. Und das ist nur der nächste Schritt in der Entwicklung: auch bei den Vocals wieder melodischer zu werden. Was den Black Metal betrifft: Der wird in einigen Jahren wieder verschwunden sein. Hör dir zum Beispiel DIMMU BORGIR an. Das ist eine großartige Band. Aber sie sind für Black Metal einfach zu melodisch. Sie sind in der Musik einfach einen Schritt weiter Richtung Melodie gegangen, lediglich die Vocals sind noch ein bißchen ... strange. Ich denke, die Zukunft liegt in den Melodien. Immer noch aggressiv, klar, aber vor allem Melodien. Und der melodische HM wird auch ein Comeback erleben, denke ich. Ich hoffe es zumindest.

Nichtsdestotrotz wird es Kritiker geben, die euch vorwerfen, eure Musik sei old-fashioned. Was antwortest du denen?

Ich sage ihnen, daß sie recht haben. Wir wollen ja klingen wie die Musik der Achtziger, aber mit den Möglichkeiten der Neunziger. Unsere Einflüsse stammen aus den Achtzigern; wenn uns also jemand als old-fashioned bezeichnet, ist das für mich okay. Ich sehe das dann sogar eher im positiven Sinne, als Kompliment.

Aber die Musik selber ist ja nur der Anfang. Ihr entsprecht ja insgesamt irgendwo so dem typischen HM-Klischee: die Musik, die Songtitel, das Plattencover. Ist das auch eure Absicht?

Ja, und so soll es auch bleiben. Das ist auch ein Grund, warum Jesper noch in der Band ist. Er hört ebenfalls klassischen Metal, und mit seiner Hilfe bleiben wir dieser Linie auch treu.

Seine Band IN FLAMES klingt ja aber nun doch ein bisserl anders ...?

Das schon, aber wenn du genauer hinhörst, wirst du auch in der IN FLAMES-Musik Passagen entdecken, die unserer Musik ähnlich sind. Vielleicht will er seine True Metal-Einflüsse auch vermehrt in HAMMERFALL unterbringen. Ich meine, Parallelen müssen schon da sein. Schließlich ist er der musikalische Kopf von IN FLAMES; die gesamte Musik auf deren letztem Album stammte von ihm. HammerFall

Na gut. Lassen wir den musikalischen Aspekt jetzt mal beiseite. Kannst du mir stattdessen mal etwas über die Lyrics auf dem Album erzählen?

Ich denke, jeder Song spricht für sich selbst. Wenn du die Songs hörst, erzählt die Musik schon eine bestimmte Story, und vermittelt ein bestimmtes Feeling. Als wir die Songs geschrieben haben, kümmerten sich Oscar und Jesper um die Musik. Dabei entwickelten sie auch schon Ideen für die Vocallines und die Titel. So ganz spontan bemerkt einer "Hey, dieser Song hört sich an wie: The Metal Age." Und wenn ich dann die Musik bekomme und anfange, die Gesangslinien und die Texte auszuarbeiten, dann fließt das irgendwann von selber, und plötzlich habe ich den Song fertig. Einfach so. Alle Songs kommen irgendwo aus dem Gefühl. Es ist also kein Kampf und keine besondere Anstrengung, die Songs fertigzustellen.

Und worum geht es so im Allgemeinen? Quasi das übergeordnete Thema?

Um alte Legenden und so. Ich lese viel über sowas, etwa König Arthur, die Templars und ähnliches. Es ist sehr interessant, darüber zu lesen und auch zu schreiben. Ein bißchen anders sind allerdings die Balladen. Bei den Balladen bemühe ich mich, etwas ernstere Texte zu schreiben. Aber prinzipiell gilt für die Lyrics: Wenn andere Leute die Songs hören und die Lyrics lesen, dann sollen wie sich eine eigene Meinung zu den Texten bilden. Ich will ihnen nicht sagen, was sie zu fühlen haben, wenn sie einen speziellen Song hören oder den Text lesen. Für mich haben die Texte eine bestimmte Bedeutung, aber für jemand anderes können sie natürlich eine ganz andere Bedeutung haben. Und so ist das zum Beispiel beim Titelsong, "Glory To The Brave". Dieser Song dreht sich um einen persönlichen Helden. Er ist meinem Großvater gewidmet, und das muß natürlich nicht für irgendjemand anderes ein Held sein, aber für mich ist es einer. Wenn du diesen Song hörst, kannst du vielleicht an einen Helden in deinem eigenen Leben denken. Das kann dein Bruder, deine Schwester oder sonst jemand sein.

Und die andere Ballade, "I Believe"?

Als ich diesen Songs schrieb, wurde er offensichtlich ein bißchen zu ernst. Du kannst von dieser Person, von der ich da singe, aus dem Text heraus nicht sagen, ob sie nur fortgegangen oder ob sie tot ist. Manchmal werde ich halt sehr ernst. Betrachte etwa die Textzeile "After sunshine comes the rain" in diesem Song. Ich denke, das ist eine sehr harte Zeile, denn jeder sagt sich selber des öfteren eher das umgekehrte: Nach dem Regen scheint auch wieder die Sonne. Aber es ist eben nicht immer so. Ich wollte hiermit nur die Realität ein wenig reflektieren. Es ist nicht immer alles so gut, also habe ich diesen Satz umgedreht: Nach dem Sonnenschein wird es auch mal wieder regnen! Aber dieser Text ist eher die Ausnahme. Normalerweise möchte ich die Leute unterhalten mit meinen Texten. Wenn jemand einen schlechten Tag hatte, so braucht er nur ein HAMMERFALL-Tape einzulegen, und schon kann er wieder gut drauf sein. Ich will eher positive Gefühle in die Texte legen. Das sollte auch das Ziel mit dieser Art von Musik sein. Jeder Song erzählt eine eigene Story, und diese Story sollte positiv sein. Und nicht den Leuten erzählen, daß sie sich umbringen sollen. Es gibt schon viel zu viele Bands, die eine solche negative Botschaft in ihren Texten haben.

Eine andere Betrachtungsweise zu diesem Thema vertrat allerdings Sami Lopakka von SENTENCED. Dieser meinte seinerzeit in einem Interview, wenn er darüber schreiben würde, sich umzubringen, bräuchte er's nicht zu tun.

Wegen mir. Aber stell' dir mal vor: Du hast ein echt langweiliges Leben. Du hattest einen schlechten Tag. Dann kommst du nach Hause, und mußt jemandem zuhören, der einen noch schlechteren Tag hatte ... Ich weiß nicht ganz, was das soll. Wenn ich Musik höre, will ich happy sein, und ich will unterhalten werden. Und wenn mir dann jemand erzählt "Life sucks. Ich will mich umbringen", dann antworte ich ihm: "Okay, warum bringst du dich nicht um und läßt mich in Ruhe?" Verstehe mich nicht falsch, aber sowas will ich in dem Moment nicht hören, also muß er's mir auch nicht erzählen.

Naja, vermutlich wird sich Joacim seine Kollegen von SENTENCED wohl auch eher selten anhören. Die alte Power Metal-Combo WARLORD trifft da schon eher seinen Geschmack, wie wir bereits erfahren haben. Wieso habt ihr denn deren Song "Child Of The Damned" gecovert?

WARLORD sind seit langer Zeit eine meiner Lieblingsbands. Das erste Album, das ich von ihnen hörte, hieß, glaube ich, "Total Destruction", und "Child Of The Damned" ist von diesem Album. Und seit diesem Song bin ich WARLORD-Fan. Und Oscar geht's übrigens genauso. Ich wollte diesen Song einfach wieder aus der Versenkung holen und ans Licht bringen. Viele Leute kennen diesen Song nicht, und er ist einfach zu gut, um in Vergessenheit zu geraten. Die Kids von heute haben nicht die Chance, WARLORD zu hören. Vor einigen Monaten wurde eine WARLORD-Scheibe auf CD wiederveröffentlicht, was ich sehr gut finde. Dieser Song ist einfach eine Art Tribute an diese Band.

Zum jetzigen Zeitpunkt hat sich dieser Tribute bereits dahingehend ausgewirkt, daß geradezu ein Run auf alte WARLORD-Scheiben einsetzt, was Joacim ja nur recht sein kann. Genauso wie der Run auf die HAMMERFALL-Gigs im Spätsommer, bei denen sich letztendlich vor allem eines gezeigt hat: Der Metal ist noch lange nicht tot!

Restless

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