Mortification

Metal im Namen des Herrn

(Interview mit Steve Rowe, August 1996)

Daß die australische Metal-Szene mehr zu bieten hat als AC/DC und ROSE TATOO, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Durch die Paarung von Grindcore/Thrash Metal mit christlichen Texten, die die bisherigen Releases kennzeichnete, nahmen MORTIFICATION aber auch auf dem fünften Kontinent schon immer eine Sonderstellung ein. Der mittlerweile achte Longplayer "EnVisionEvAngelene" zeigt das Trio deutlich gereift und erinnert stellenweise an MANOWAR, sollte demnach also auch für Traditionalisten interessant sein.

Textlich ist jedoch alles beim alten geblieben. Oberprediger Steve Rowe rief mich eines Morgens an und erzählte mir, warum.

Bedingt durch mein Elternhaus war ich eigentlich Zeit meines Lebens Christ. Lediglich in den Siebzigern und frühen Achtzigern hatte ich diesbezüglich mal einen Durchhänger, weil ich zu der Zeit auch sehr stark in der Metal-Szene involviert war. Zurück zur Kirche fand ich dann mit 19. Zu der Zeit machte ich auch schon selber Musik und fand es eine gute Idee, mit meiner Musik die christliche Botschaft zu transportieren. Und mit dieser Richtung bin ich auch heute noch sehr zufrieden, denn vieles aus dem Heavy Metal-Bereich ist furchtbar langweilig, weil alle über dasselbe zu singen scheinen, über Satan und das Böse und so. Da ist es gut, wenn eine Band über etwas anderes, etwas Positives singt.

Für viele selbsternannte Moralapostel und Pseudo-Christen hier in Deutschland ist der Heavy Metal allgemein die Musik des Satans. Ich könnte mir vorstellen, daß auch ihr Probleme habt, wenn ihr Christentum und Heavy Metal miteinander verknüpft.

Nein, eigentlich nicht. Es gibt hier viele Christen, die uns mögen und unsere Platten kaufen. Speziell in Amerika verkaufen wir etliche tausend Einheiten alleine in christlichen Buchläden. Vermutlich verstehen viele Leute in der Kirche nicht auf Anhieb, was wir machen. Manche halten es auch für falsch. Aber wenn sie uns fragen und sich mit uns darüber unterhalten, erklären wir ihnen die Sache. Dann beginnen sie, unsere Beweggründe zu verstehen und auch, uns zu unterstützen.

Ist für dich denn die Musik wichtiger oder die Botschaft, bist du also mehr ein Rock'n'Roller oder mehr ein Christ?

Ich denke, beides. Botschaften sind natürlich wichtig, aber wir arbeiten auch sehr hart, um gute Musik zustande zu bekommen. Bei "EnVisionEvAngelene" versuchten wir beispielsweise, traditionellen Metal mit Grind oder modernen Klängen zu verknüpfen. Die Musik ist für uns also schon sehr wichtig, denn wenn sie es nicht wäre, würden wir etwas anderes machen. Aber die Message natürlich auch, denn der christliche Glaube gibt uns die Antwort auf vieles. Und, wie gesagt, da es sehr viele Bands mit negativen Botschaften gibt, ist es auch wichtig, daß wir unsere Botschaft klar und deutlich rüberbringen. Manche Leute haben gedacht, die Metal-Fans könnten uns allein aufgrund dieser Texte hassen. Aber interessanterweise verkaufen wir mehr Platten als manche andere Metal-Band. Auch die Verkäufe des neuen Albums sind sehr gut angelaufen, und das nicht nur in Australien, sondern auch in Amerika. Und das ist schon bemerkenswert, denn der Metal ist dort beileibe nicht mehr so populär wie in Europa. Da ist die christliche Botschaft offensichtlich schon verkaufsfördernd, und man hat uns dort vermutlich deshalb viel Aufmerksamkeit geschenkt, weil sich diese Sache so stark von anderen Bands unterscheidet.

Wie ist denn deine Meinung über Bands mit negativen, sprich: satanischen, oder überhaupt keinen Botschaften?

Ich denke einfach, daß satanische Botschaften in den Texten verdammt langweilig sind. Manche Leute glauben vielleicht an den Kram, aber für viele andere ist es einfach nur ein großer Trend, und diese ganzen negativen Messages ... Ich frage mich, was das soll. Metal ist eine positive Sache! Die Leute gehen in der Musik auf, sie gehen zu Konzerten und fühlen sich gut dort. Ich finde es einfach blöd, so gute Musik mit so bescheuerten Messages verknüpfen zu müssen, wie zum Beispiel, den Kids zu erzählen, sie sollten Drogen nehmen. Ich meine, irgendwie sind die Bands ja auch verantwortlich dafür, wie sie ihre Hörer beeinflussen. Wenn ein Vierzehnjähriger die Musik hört, ist es wohl schon besser, ihm eine positive Botschaft mitzugeben und ihn dadurch auf den richtigen Weg zu bringen.

Hier in Deutschland liegt die Sache natürlich etwas anders, da viele Leute nicht gut genug Englisch können und von daher mehr Wert auf gute Musik legen ...

Ja, das wohl auch, aber ich denke, viel machen auch die Emotionen aus, die hinter der Musik stehen. Früher haben wir Grindcore gemacht, aber der Antrieb war auch dabei nie Hass, sondern immer eine positive Kraft. Sogar "Scrolls Of The Megilloth", was ein sehr brutales Album war, war sehr positiv und ließ sich gut anhören. Im Gegensatz zu anderen Grindcore- oder gar Black Metal-Scheiben, bei denen du auch hörst, daß hinter der Musik Gefüle wie Hass stehen. Selbst wenn du nicht auf die Texte achtest, erzeugt diese Musik negative Emotionen.

Nun mal zur Band selbst: Auf den letzten drei CDs hattest du immer andere Leute an Schlagzeug und Gitarre. Ist MORTIFICATION denn eher ein Projekt als eine richtige Band?

Nach dem "Post Momentary Affliction"-Album verließ Drummer Jason die Band, um sich anderer Musik zu widmen, und für "Blood World" kam dann Phil Gibson zu uns. Mick Carlisle war bis zu diesem Album fester Gitarrist, nur nach der entsprechenden Tour verließen beide aus persönlichen Gründen die Band. Danach habe ich in Amerika eine Tour mit ein paar kanadischen Jungs durchgezogen, und da ich beim amerikanischen Label Intense Records noch unter Vertrag stand, habe ich mit denen dann auch gleich das nächste Album aufgenommen (Nuclear Blast haben die MORTIFICATION-Scheiben damals wie heute nur lizensiert - d. Verf.). Zu der Zeit war die Band natürlich schon mehr ein Projekt, aber das aktuelle Album, das auf meinem eigenen Label erschien, ist mit zwei neuen, aber festen Bandmitgliedern entstanden. Das aktuelle Line-Up ist daher wieder ein permanentes.

Wie ergibt sich denn das Thema eines Songs? Beim Lesen des Booklets fällt vor allem auf, daß ihr zu jedem Song eine Referenz in der Bibel angebt.

Normalerweise nehmen wir ein Thema aus der Bibel, sei es nun der Turmbau zu Babel oder was auch immer, und schreiben einen Text dazu. Manchmal ist der Bezug aber auch eher indirekt. Der Titelsong des neuen Albums ist zum Beispiel darüber, was die Engel im Himmel gedacht haben könnten, als sie Jesus auf der Erde sahen, und was alles so mit ihm geschah, und was sie dabei gefühlt haben könnten. Über diesen 19minütigen Song haben wir auch einen kleinen Film gedreht. Zu finden sein wird er zusammen mit anderen Clips auf einem Video-Package. Dieser Film erforderte etwa einjährige Planung, denn wir wollten wirklich den gesamten Song darin umsetzen. Die Clips zeigen dagegen die Band im Verlauf der letzten sechs Jahre.

Wie kam es zur Idee dieses Mammut-Songs und des Films?

Ich hatte über sowas schon länger nachgedacht. Als ich noch in dem alten Vertrag drin steckte, habe ich allerdings Abstand von der Idee genommen, denn ich wollte selber die Kontrolle über alles haben und auch die Rechte an dem Film besitzen. Die Inspirationsquelle war MANOWAR's "Achilles, Agony and Ecstasy...". Gitarren- oder Drumsoli wollte ich jedoch nicht in dem Stück. Ich wollte vielmehr in jedem Moment, daß die Musik das widerspiegelt, was die Story aussagt. Es war eine wirkliche Herausforderung, einen so langen Song zu schreiben, und dabei während des gesamten Songs das Interesse des Hörers wachhalten zu wollen.

Habt ihr auch über die Möglichkeit nachgedacht, diesen Song noch weiter auszudehnen und ein ganzes Konzeptalbum aufzunehmen?

Ja schon, aber dahinter stand halt letztendlich auch die Idee dieses Films, und dafür hatten wir ein Zeitlimit von etwa 20 Minuten, denn mehr wäre sowohl vom Zeitaufwand als auch finanziell nicht möglich gewesen. Aber ich denke, so ist es auch schon ganz ordentlich geworden.

Dein Wort in Gottes Ohr, lieber Steve. Denn in der Tat hat die Band hier ein beeindruckendes Machwerk auf CD verewigt, und das ganz ohne Fell- oder Ledertangas.

Restless

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