Rammstein & Secret Discovery

Samstag, 5. Oktober 1996, Bonn (Biskuithalle)

Wenn ich mich recht erinnere, hatte ich die Biskuithalle vor dem heutigen Samstag noch nie ausverkauft erlebt. Naja, einmal ist immer das erste Mal. Den Veranstaltern war's egal, sie schickten die Bochumer Formation SECRET DISCOVERY pünktlich im 20:00 Uhr auf die Bretter, ungeachtet der Tatsache, daß vor der Tür noch einige hundert Leutchen rumstanden. Apropos Publikum: Selten habe ich ein Konzert erlebt, bei dem die Fans aus so unterschiedlichen Kreisen kommen. Kuttenträger und schwarzgekleidete Langhaarige waren genauso auszumachen wie Haarlose (der Ausdruck "Glatzen" ist mir politisch zu stark vorbelastet) oder Bilderbuch-Punks - wenn auch die Iro-Frisur der einen Punkerin so aussah, als habe sie kleine Termitenhügel auf dem Kopf. Sogar ein Mensch im schicken Anzug wurde gesichtet, und natürlich auch etliche Normalos.

Dummerweise gehörte ich zu den Spätangereisten, so daß ich nur noch drei Songs der Vorband mitbekam. Rein optisch war vor allem der Sänger beeindruckend, der locker die Hauptrolle in "Conan, der Barbar" hätte übernehmen können. Musikalisch erinnerte mich das Dargebotene ein wenig an SISTERS OF MERCY, wobei mir allerdings nur ein wirklich guter Song auffiel. Wenn die Jungs ihre Qualitätsschwankungen ausmerzen können, sind sie für Gothic Metal-Fans auf alle Fälle interessant.

Nach einer halben Stunde Umbaupause ging's weiter mit einer der zur Zeit angesagtesten Bands, RAMMSTEIN. Eröffnet wurde der Set von dem gleichnamigen Song, bei dem der Sänger im feuerfesten Anzug am Mikro stand und passend zur Textzeile "Ein Mensch brennt" erstmal in Flammen aufging. Und hier wurde schon klar, was man für eine Show zu erwarten hatte: Feuer, Feuerwerke und Knallerei waren das Motto; die Musiker erhoben dagegen die Coolness zur Religion. Lediglich der Keyboarder, der eigentlich der coolste von allen war mit seiner Sonnenbrille und dem Sechtziger-Jahre-Glamour-Anzug, stakste hin und wieder ekstatisch-mechanisch über die Bühne und wirkte, als sei er von seinem letzten intergalaktischen Trip noch nicht zurückgekommen.

Im Laufe des Abends wurde die gesamte "Herzeleid"-CD runtergespielt, allerdings aufgelockert durch ein halbes Dutzend unbekannter Songs, die noch stärker EBM- bzw. Industrial-orientiert waren als das Material der CD. Sogar der "Seemann" kam nicht zu kurz und wurde streckenweise allein vom Publikum gesungen, und bei "Laichzeit" waren die vorderen Reihen vollends am Ausrasten. Für Abkühlung sorgten dann aber mehrere Eimer Wasser, die der Sänger ins Publikum entleerte. Richtig heiß wurde es nochmal bei "Wollt Ihr das Bett in Flammen sehen" aufgrund des Flammenwerfers, mit dem der Kerl rumfuchtelte.

Die Zugabe bestand aus "Das alte Leid", das von einem wild um sich spritzenden Plastikdödel in der Hose des Sängers optisch untermalt wurde, und dem unvermeidlichen "Du riechst so gut", an dessen Ende wir alle von einem heftig stinkenden Nebel umwabert wurden.

Fazit: War mal was anderes! Für noch nicht mal 28 Märker bekommt man sowas nicht allzu häufig geboten. Etwas gestört fühlte ich mich nur zu Beginn durch einen "Fan", dessen höchste Erfüllung darin zu bestehen scheint, schubsend und wild um sich schlagend rum zu pogen und dabei blaue Augen bei seinen Mitmenschen - und bei sich selber, wenn er an den Richtigen gerät - bewußt in Kauf zu nehmen.

Restless

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