Lacrimosa, Secret Discovery, Darkseed
& The Gallery

Dienstag, 22. April 1997, Solingen (Getaway)

Es ist nicht zu fassen: Es ist ein normaler Arbeitstag, wir kommen spät los, stehen im Stau, verfahren uns in Solingen, und dennoch: The Gallery Wir sind pünktlich. Und das ist gut so. Denn die erste Band des Billings, THE GALLERY, gefällt mir ausgesprochen gut. Nicht nur optisch (Frontfrau), sondern auch musikalisch. Guter Gothic Metal, vielleicht mit Betonung auf ersterem, auch wenn die Bass- und Gitarrensektion ordentlich Druck machte. Der Gitarrist übernahm auch den männlichen Teil der Vocals. Darkseed Im Mittelpunkt stand jedoch die Sängerin, die zwar noch etwas unerfahren wirkte, aber eine hervorragende Stimme hat. Es ist sicher nicht zu hoch gegriffen, wenn ich dieser Band eine große Zukunft attestiere, zumal diese Art von Musik ja nach wie vor boomt.

Dann kamen DARKSEED, die am wenigsten in dieses Package paßten. Ich hatte vorher noch die Gelegenheit, ein wenig mit Sänger Stefan zu plaudern, der sich leicht unzufrieden zeigte über die Reaktionen des Publikums auf den bisherigen Gigs der Tour. Darüberhinaus habe man heute noch nicht mal einen Soundcheck machen können. Er betonte jedoch auch, daß man ansonsten fair behandelt werde. Zum Thema Publikum: Das war in der Tat sehr abstrus. Was soll ich groß erzählen: Viele Schwarzgekleidete, einige Kutten, Gothic-Punks (ja, das scheint es wirklich zu geben, mit Iro und Kette zwischen Ohr- und Nasenring und so). Auch viele idioten, die sich für besonders cool hielten, nur weil sie gute Musik hören. Darkseed Als besonders negativ fiel mir der Blödmann in der zweiten Reihe auf, der wohl unbedingt verhindern wollte, daß ich ein gutes Foto vom SECRET DISCOVERY-Basser mache (und dessen Bewgungen sich darauf beschränkten, seinen Platz um jeden Preis zu halten und ansonsten mit verschränkten Armen und grimmigem Gesicht dazustehen). Darkseed Echt cool, Junge. Auch das Mädel, das mich erst anpflaumte, weil ich vor ihrer Freundin stände (selbige hatte wohl keinen Mund, um selber was zu sagen), mich dann nicht mehr durchlassen wollte und kurz danach einen Zwei-Meter-Typ vor sich duldete, scheint nicht besonders helle gewesen zu sein. Aber egal, zurück zu DARKSEED. Ich weiß nicht, ob es eine Art Trotzreaktion war, aber die Bühnenshow der Bayern war alles andere als eine Anbiederung als das Gothic-Publikum. Im Gegenteil: Genau so und nicht anders muß Heavy Metal live gebracht werden. Keiner der Musiker stand still, die Haare kreisten und die Köpfe bangten, daß es eine wahre Pracht war. Und die Energie, die die Jungs in ihre Show steckten, wurde vom Publikum offensichtlich honoriert. Nach einer halben Stunde mit Songs ihrer beiden CDs, darunter natürlich auch "Self Pity Sick", gab es mehr als Achtungsapplaus. Vielleicht war es auch gerade der Kontrast zu den anderen Bands, der DARKSEED einige Pluspunkte bescherte. Ich denke, besser kann man sich als Metal-Band vor diesem Publikum kaum verkaufen. Gut gemacht.

Tja, und dann war es mal wieder Zeit für SECRET DISCOVERY. Mittlerweile zum vierten Mal für mich, ohne das ich es jemals gewollt hätte. Das soll jetzt nicht heißen, daß die Band schlecht wäre. Im Gegenteil: Eigentlich gefielen sie mit heute abend recht gut. Secret Discovery Vielleicht lag's daran, daß auch ihr eigenes Publikum vertreten war und nicht dieses intolerante Heavy-Pack ;-) wie auf den Out of the Dark-Festivals. Secret Discovery Zu den Songs: Ich kenne sie natürlich immer noch nicht, da ich keine ihrer Platten besitze. Es wurde jedoch (den etwas einfallslosen - ganz im Gegensatz zu DARKSEED - Ansagen nach) das Hauptgewicht auf neue Songs gelegt, unter anderem die "Slave to the Rhythm"-Coverversion. Auch wieder dabei: "Hello Goodbye". Die Show beschränkte sich leider auf Mimik und Gestik des Sängers. Ein bißchen mehr hätte man sich schon gewünscht, auch wenn der Sänger auch dieses Mal wieder sein Hemd auszog und dafür sogar Applaus bekam. Tja, auch die Arbeit am Körper macht sich hin und wieder bezahlt. Ich frage mich mittlerweile, ob die Jungs innem Fitnessstudio proben, denn ordentlichen Armumfang haben sie alle. Aber das gehört jetzt nicht mehr hierher.

Nach einer etwas zu lang geratenen Umbaupause betraten LACRIMOSA die Bühne - und wurden ihrem Anspruch als Headliner durchaus gerecht. Wobei man einschränkend sagen muß, daß viele tatsächlich nur wegen ihnen kamen. So auch das halbe Dutzend Mädels, das jetzt wohl bereits vier Stunden bewegungslos (ehrlich!) in der ersten Reihe ausharrte. Aber sie sollten ihren Gott zu sehen bekommen. Durch die Schminke sah Tilo etwas mädchenhaft aus, was aber bei einem Gothic-Konzert wohl dazugehört. Lacrimosa Die Show, das sei direkt vorweggenommen, war jedoch nicht zufriedenstellend. Bei einem Eintrittspreis von 26 Märkern für vier Bands wird sich daran aber kaum einer gestört haben, und das war vielleicht auch die Schuld der sehr kleinen Bühne. Und die stand auch noch halb voll mit A.C.s Schlagzeug, dessen Preis wohl deutlich(!) im fünfstelligen lag und jeden Nachwuchsdrummer (Hallo, Bone!) neidisch werden ließ. Dennoch nutzten die fünf Leute davor ihren Platz gut, wenn auch hin und wieder der Basser im Hintergrund verschwand. Los ging's erstaunlicherweise mit "Ich bin der brennende Komet". Lacrimosa Erstaunlicherweise deshalb, weil speziell dieser Song bei Presse und Fans recht schlecht wegkam. Ansonsten lag der Schwerpunkt auf den letzten beiden Scheiben. Bei "Not every pain hurts" und "Make it end" begab sich Tilo ans Keyboard und Anne übernahm das Mikro. Bei den beiden Highlights der vorigen Scheibe, "Kabinett der Sinne" und "Schakal" bekamen dann sogar meine Nackenmuskeln etwas zu tun (bei "Copycat" natürlich auch), wobei es mich auch nicht störte, daß die Leute um mich herum entweder wie hypnotisiert zur Bühne oder total entgeistert zu mir glotzen. Aber auch noch anderen in der Halle ging es wie mir. Ältere Songs waren "Seele in Not", "Tränen der Sehnsucht" und "Satura", wobei ich mich speziell bei den beiden letzten irgendwie nach den CD-Versionen sehnte. Auch wenn es schmerzlich klingt, aber man kann vermutlich nicht jedes Stück verhartwursten, und es wäre wohl besser, würde Tilo live auf so manchen Klassiker verzichten. Vielleicht lag's auch an der Tagesform, aber die Heavy-Version dieser beiden Songs hat mich ein wenig ettäuscht. Oder er schickt für diese Songs einen Teil der Musiker von der Bühne. Wäre vielleicht die beste Lösung.
Natürlich gab's auch einige Zugaben, wenn ich mich auch jetzt nicht mehr daran erinnern kann, welches Stück wann gespielt wurde. Aber ist wohl auch nicht so wichtig.

Fazit: Ein gutes, wenn auch nicht hundertprozentiges Konzertereignis. Wahrscheinlich aber auch eines der letzten Male, daß man LACRIMOSA in einem so kleinen Laden hat sehen können. Das Getaway war nahezu ausverkauft.

Restless

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