Skyclad & Custard

Sonntag, 22. Dezember 1996, Andernach (Jugendzentrum)

Das Andernacher Juze ist sicher einer der kultigsten Veranstaltungsorte überhaupt. Wir nennen es immer nur liebevoll Das Wohnzimmer, und manch einer mag jetzt schon eine Idee haben, weshalb. Also: Beim Reingehen fällt man geradezu unausweichlich über das Mischpult, ein Teil der Bühnenbeleuchtung ist am hinteren Ende des Raumes angebracht, und ... der Laden war mit 180 Besuchern mal wieder ausverkauft. Vorteil des Ganzen: Die Atmosphäre zwischen Bands und Fans ist sehr persönlich, was, verbunden mit den niedrigen Bierpreisen, eigentlich immer einen Besuch lohnt. Nachteil: Nach wenigen Stücken überschreitet die Temperatur die 30-Grad-Celsius-Marke, so daß sich aus mehrererlei Hinsicht ein feucht-fröhliches Ereignis ergibt.

Wie dem auch sei: Wir waren pünktlich da, mußten dann allerdings noch ewig in der Kälte stehen, weil der Mensch von Massacre-Records, der den eigentlichen Promoter Krulle - der ja selber zu der Zeit mit ATROCITY auf Tour war - vertreten sollte, das mit der Gästeliste nicht auf die Reihe gekriegt hat. Die Tatsache, daß ich dann auch noch ein Interview mit SKYCLAD gemacht habe, führte dann mal wieder dazu, daß ich von der Vorband nur wenige Stücke mitbekam. CUSTARD hießen die Jungs, und sie stammen irgendwo aus dem nördlichen Ruhrgebiet oder so. Ihre Musik läßt sich vielleicht als eine Mischung aus Speed Metal (Erinnert sich noch jemand an die legendären VENDETTA? Diese Art von Speed Metal meine ich!) und melodischem Power Metal a la BLIND GUARDIAN bezeichnen. Typisch teutonisch vielleicht, aber verdammt gut. Ich habe jedenfalls einige Leute bangen sehen. Wenn die Jungs es schaffen, ihre Live-Power auch auf CD zu bannen, wird man von ihnen wohl noch einiges hören. Die bisher erhältliche Mini-CD kann da leider noch nicht ganz mithalten.

Martin Walkyier (Skyclad) Und dann kamen die verrückten Engländer, wie es auf den extra für die deutschen Fans angefertigten Tour-Shirts stand. SKYCLAD hatten zwar nicht die gewohnte Bewegungsfreiheit auf der Bühne, schafften es aber mal wieder, sich selber zu übertreffen. Georgina Biddle (Skyclad) Die Band macht aus ihren Live-Shows immer eine solche Party, daß auch hier die CD-Versionen der meisten Stücke kaum mithalten können. Einen guten Teil tragen dazu sicher auch Martin's Ansagen bei: Der Kerl kann mittlerweile recht gut deutsch, und selbst, wenn man mit den Aussagen nicht ganz einverstanden wäre, könnte man immer noch über seinen britischen Akzent schmunzeln ("...die Politiker, diese Archlöker..."). Es wurde natürlich wieder mächtig über soziale Mißstände und die britische Musikpresse gewettert, darüberhinaus schien sich der SKYCLAD-Frontmann köstlich über "...our first concert in a shoebox..." zu amüsieren. Aber sie machten das Beste aus dem knappen Raum, Georgina war mit ihrer Geige wieder wild am rumspringen, und irgendwie schafften es die sechs Personen (ein zweiter Gitarrist war mit dabei), sich auf der kleinen Bühne nicht gegenseitig über den Haufen zu rennen. Dabei brachten sie eigentlich alle ihre Hits unters Volk. Der Schwerpunkt lag auf Material von "Irrational Anthems", von dem "Inequality Street" und "Penny Dreadful" am besten ankamen. Aber auch von der neuen Scheibe, allgemein nur The Folk Album genannt, wurden zwei Stücke gespielt ("Great Blow For A Day Job" und "Constance Eternal"). Skyclad Der Abräumer des Abends war wohl (mal wieder) "Spinning Jenny".

Martin Walkyier (Skyclad)

Recht spaßig war dann noch der Übergang zum Zugabenteil: Da der "Backstage"-Bereich in Andernach nicht backstage liegt, sondern im ersten Stock, und von der Bühne aus nur mitten durchs Publikum zu erreichen ist, kürzte Martin die Sache ab und bat die Anwesenden, mal kurz die Augen zu schließen und sich vorzustellen, die Band sei von der Bühne gegangen, eine Zeitlang weg gewesen und dann wieder gekommen. Folgerichtig ging's dann auch mit dem Satz "Hallo, da sind wir wieder." weiter. Tja, an dem Tour-Shirt-Aufdruck - siehe oben - scheint schon was dran zu sein.
Leider war nach etwa 90 Minuten Schluß, da das Juze nach außen hin nicht gerade schalldicht ist und deshalb die Konzerte um 22 Uhr beendet sein müssen. Dennoch mal wieder ein gelungenes Konzert-Ereignis.

Restless

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