Saxon Paul Quinn

& Royal Hunt

Samstag, 31. Mai 1997, Köln (E-Werk)

Fast pünktlich um viertel nach sechs ging's los an diesem Samstagabend. Der Hard-Rock-Club Bonn hatte mal wieder den amtlichen Linienbus gechartert, der uns vor'm Mc Donalds einsammeln sollte, und da die Konzerte im E-Werk wegen der anschließenden Disco schon um sieben anfangen, war die Abfahrt halt etwas früher angesetzt. Das Dumme an der Fahrt von Bonn nach Köln ist nur immer, daß die Fahrzeit gerade mal für ein Bier reicht. Aber da am Eingang zunächst mal eine lange Schlange stand, sind wir erstmal im Bus sitzengeblieben, so daß für's zweite Bier doch noch Zeit war.

Als dann Einlaß war, war diese Schlange ziemlich schnell verschwunden. Das dürfte Tourveranstalter Rainer Hänsel gar nicht gefreut haben, bedeutete es doch, daß die Halle alles andere als voll wurde. Und so war's dann auch: Der Balkon blieb leer, und selbst in der Halle hatte man nicht um einen Standplatz zu kämpfen. Insgesamt mochten sich im Laufe des Abends vielleicht tausend Leute eingefunden haben, um das wiedererstarkte Metal-Schlachtschiff live zu sehen.

Zunächst mal mußten wir jedoch ROYAL HUNT über uns ergehen lassen. An sich war ja alles bestens: glasklarer Sound, gute Musiker, durchaus akzeptable Live-Performance ... aber hätte man für SAXON nichts anderes als diesen schleimigen Poser-Rock als Support haben können? Doug Scarrat Wem die Musik nicht ausreichte, konnte sich dann auch noch an zwei Background-Sängerinnen erfreuen, die dummerweise ständig im Schatten standen, da der Scheinwerfer immer nur den nett gestylten Sänger anstrahlte. Also: Es mag durchaus Leute geben, denen diese Musik gefällt, aber vor SAXON sind sie definitiv fehl am Platz. Vermutlich haben sie einfach nur am meisten Kohle geboten, um auf dieser Tour dabei sein zu dürfen. Dafür spricht zumindest die Tatsache, daß Biff Byford während unseres Interviews eingestand, die Musik dieser Band überhaupt nicht zu kennen. Naja, so kam es dann frühzeitig zu "Saxon"-Rufen aus dem Publikum, und irgendwann war diese Vorband dann halt auch vorbei.

Biff Byford

Warum man der Security (und damit uns Journalisten) zunächst erzählte, daß nur während der letzten (!) vier Lieder Fotos gemacht werden dürften, werde ich wohl nie erfahren. Vermutlich wollte sich da mal wieder irgendjemand wichtig machen, was nichts daran änderte, daß unsereins doch die ersten drei Songs in den Fotograben konnte. Aber den Aussagen meiner Kumpels nach zu urteilen sah auch ich mit meinem angeklebten Fotopaß unheimlich wichtig aus. Yvette vom Hard-Rock-Club meinte, da könne an diesem Abend kein Handy gegen anstinken. Aber egal, der Fotopaß klebte nicht richtig, und so habe ich ihn noch im Laufe des Konzerts verloren. Scheiße! Ausgerechnet bei SAXON!

Los ging's mit "Unleash The Beast", dem Opener und Titeltrack des neuen Albums, der dann auch klarmachte, daß es heute wieder ordentlich zur Sache gehen wird. Dennoch hatte man am Anfang das Gefühl, daß Biff nicht so übermäßig gut drauf ist. Das änderte sich auch während der folgenden vier oder fünf Stücke nicht, zu denen auch "Dogs Of War" gehörte. Daß dann "Heavy Metal Thunder" und "Warrior" in einem Medley verwurschtelt wurden, gefiel mir persönlich nicht so gut; andererseits hat die Band mittlerweile genug Material, um gar nicht mehr zu wissen, wohin mit all den Klassikern.
Biff Byford Biff lief nach den anfänglichen Startschwierigkeiten im Laufe des Konzerts zu Hochform auf. Das ganze Konzert in Hochform war dagegen Basser Nibbs, der nie an einem Fleck stand und bangte wie ein Wahnsinniger. Dagegen sahen die ebenfalls nicht bewegungslosen Paul Quinn sowie der neue Gitarrist Doug Scarrat schon wieder relativ fußlahm aus. Im weiteren Verlauf des Sets gab es noch vier Stücke vom neuen Album, dazu "Solid Ball Of Rock", "Can't Stop Rockin'", "Iron Wheels", "Broken Heroes", "Power And The Glory". Auch die Uralt-Tage kamen zu ihrem Recht: "Dallas 1pm", "Strong Arm Of The Law", "Motorcycle Man", "Denim And Leather" oder auch "Princess Of The Night" wurden im Laufe der insgesamt zwei Stunden zum besten gegeben. Insgesamt drei Mal (also nicht ganz so oft wie auf der letzten Tour) wurde die Band wieder auf die Bühne gerufen, und war sich im Zugabenteil auch nicht zu fein, "You've Got Another Thing Comin'" zu spielen, ihren Tribute to JUDAS PRIEST.
Paul Quinn Die Light-Show war dezent, aber gelungen. Im Hintergrund der Bühne prangte ein überdimensionaler Büffel-oder-was-weiß-ich-was-Schädel mit leuchtenden Augen. Sprich: Das Covermotiv der neuen Scheibe. Der sonstige Bühnenaufbau war nix besonderes, was aber auch nicht nötig war, da die Band von ihrer Musik und der Party-Stimmung lebt, nicht von irgendwelchen Lichteffekten.
Insgesamt also ein gelungenes Konzert? Nein! Warum nicht? Ganz einfach: Daß man auf manchen Klassiker verzichten muß, wurde bereits erwähnt. Auch daß "Great White Buffalo" vom letzten Album nicht gespielt wurde, geht in Ordnung. Aber daß sie "Forever Free" nicht spielten, werde ich den Jungs nie verzeihen. Ich habe bis zum Schluß drauf gewartet, " ... vielleicht in der nächsten Zugabe ..." habe ich mir gesagt, aber nein. Sie haben es nicht gespielt! Dabei vermittelt dieser Song, auch wenn er erst ein paar Jahre alt ist, besser wie kein zweiter das Feeling, daß die Band SAXON ausmacht. Mit allem, was dazugehört, diese einmalige Verbindung von harter Musik, Motorrädern, Party, dem freiheitsliebenden Outlaw, ...
Bevor das hier zu weit führt: Den meisten hat's gefallen, und objektiv fiel nur der hohe Eintrittspreis (knappe 50 Eier, wenn ich mich recht erinnere) unangenehm auf. Dafür, daß man um kurz nach zehn geradezu aus dem Laden rausgescheucht wird, damit die Disco anfangen und der örtliche Veranstalter an einem Abend das zweite Mal Kohle machen kann.

Für uns war der Abend damit noch nicht zu Ende. Kennt jemand noch die Bonner Band CUTTY SARK aus den Achtziger Jahren? Die haben sich vor etwa eineinhalb Jahren reformiert. Außerdem hat ihr Sänger Conny geheiratet, was für die meisten Leser zwar uninteressant sein dürfte, den Hard-Rock-Club-Bus aber nicht daran hinderte, auf jene Hochzeitsfeier zu fahren und sich dort die letzte Ölung zu besorgen bzw. die Enttäuschung über das nicht-gespielte "Forever Free" runterzuspülen.

Restless

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