ELF

Punk's not dead

(Interview mit Elf, Juli 1997)

Bekannt wurde der Gitarrist mit dem merkwürdigen Namen Elf bereits vor knapp 20 Jahren durch seine Mitwirkung bei der Punk-Legende SLIME. Auch bei der Kult-Truppe ABWÄRTS schrubbte der Mann zwischenzeitlich die sechs Saiten. Zwar haben die textlichen Ergüsse seiner neuen Band ELF, deren Erstling "German Angst" im Frühsommer veröffentlicht wurde, an Schärfe gegenüber alten SLIME-Sachen einiges verloren, aber genau das spricht für eine Entwicklung des Menschen Elf und seiner Mitstreiter. Insgesamt viermal mußte mich der gesprächige Alt-Punk anrufen, bis wir das Interview unter Dach und Fach hatten, aber es hat sich gelohnt.

Zunächst mal wollen wir ein wenig in der Vergangenheit rumwühlen. Die Band SLIME gab's im Prinzip ja zweimal, zuerst Ende der 70er/Anfang der 80er, und dann Anfang der 90er nochmal.

Genau!

Nun wolltest du die Band ja letztes Jahr nochmal reformieren, woraus dann aber nichts wurde ...

Ja, ich hatte Dirk, den alten SLIME-Sänger, gefragt, ob wir beide die Band nicht fortsetzen sollten. Nach dem Split war ich ja auch echt sauer auf die anderen, die durch ihren Ausstieg die Band ja quasi aufgelöst hatten. Ich hätte damals echt Bock gehabt, weiterzumachen, und war dann total überrascht, daß die auf einmal nicht mehr wollten. Ich meine, schließlich lief alles gut, und es hat ja auch Spaß gemacht. Aber Dirk wollte die Band zu dem Zeitpunkt nicht weiterführen, und deswegen hab ich's dann auch sein gelassen, weil der Sänger eigentlich schon dabei sein sollte. Sonst wär's nämlich doch was ganz anderes.

Ist damit SLIME jetzt endgültig Vergangenheit?

Ja, das würde ich schon so sehen. Ich glaube nicht, daß wir das nochmal mit denselben fünf Leuten anleiern werden. Ob das Dirk und ich vielleicht mit anderen Leuten nochmal hinkriegen, weiß ich nicht, und das will ich auch gar nicht endgültig ausschließen. Aber momentan will ich erstmal meine Band durchziehen. Und nebenbei habe ich ja auch noch ein Sideprojekt, zusammen mit Dirk und Leuten von den ABSTÜRZENDEN BRIEFTAUBEN und HEITER BIS WOLKIG. Daß ist zwar mehr so'n Spaß-Projekt, es soll aber im Endeffekt schon 'ne ganze CD bei rumkommen. Das wird im weitesten Sinne natürlich auch wieder Punk Rock sein. Damit habe ich jetzt erstmal zwei Sachen laufen, die ich auch durchziehen will. Dann mal schauen, was im nächsten Jahr vielleicht passiert, aber ich leg mich da natürlich nicht fest, ob's jetzt SLIME nochmal geben wird.

Warum hatte der Dirk denn keine Lust auf die Geschichte?

Och, der war auch erstmal ein bißchen orientierungslos und wollte wohl auch mal was ganz anderes machen. Sich auch mal jobtechnisch ein wenig umgucken. Und er hatte da auch was angefangen, irgendso'n Casting für 'n deutschen Spielfilm hat er gemacht. Da hat er versucht, Fuß zu fassen. Aber die Leute haben ihn ganz übel abgezockt und wieder rausgeschmissen. Nun ist er da halt wieder von abgekommen und hatte dann doch auf einmal wieder Bock, Musik zu machen, als ich ihn wegen dem oben erwähnten Sideprojekt gefragt habe. Und mal schaun, was da so draus wird.

War denn das textliche Konzept der 90er-Jahre-SLIME eigentlich schon etwas zurückhaltender als das der Anfangstage?

Würde ich schon sagen. Zurückhaltender vielleicht in dem Sinne, daß wir uns einfach - ganz klar - geistig weiterentwickelt hatten. Nach sechs Jahren Pause war man dann doch ein bißchen älter und schlauer geworden und so weiter. Klar waren die Sachen dann ein bißchen differenzierter rübergekommen. Man kann auch nicht nur ewig so Haßtexte machen, das ist ja auch langweilig. Ein bißchen ausgefeilter ist da schon ganz schön, das hört man sich dann auch lieber und öfter an. Das macht natürlich auch irgendwie 'ne gute Platte aus, wenn es auch an den Texten nicht mangelt, sondern diese eben auch halbwegs intelligent sind und die Sachen etwas differenzierter darstellen, als das bei den alten SLIME-Sachen der Fall war. Damals war ja nun wirklich die Holzhammer-Methode angesagt. Da wollten wir natürlich auch bißchen von weg, und das haben wir ja auch hingekriegt.

Da habt ihr dann die Inhalte mehr so zwischen den Zeilen rübergebracht ...

Ja, ganz genau. Wofür wir stehen und standen, das wußten die Leute sowieso, deswegen fragt man sich schon, ob man jetzt aus Gründen des Kommerzes genau das selbe wie früher macht, damit uns auch ja kein Fan verloren geht, oder wir machen einfach das, was wir selber gut finden und gehen unseren Weg, und scheißen drauf, was einer sagt. Das war zwar ein gewisses Risiko, hat aber dann ja funktioniert. Wir hatten die Situation also schon ganz gut eingeschätzt. Und in die gleiche Richtung ist das ja jetzt auch mit der ELF-Platte gegangen: Die Texte sind halt auch kritisch gegenüber wirtschaftlichen Zuständen oder etwa gegenüber der Polizei, wie etwa "Ein Stück Holz", aber aus einer anderen Sicht und mit einer kleinen Geschichte drumherum. Wie's halt sein kann, wenn mal ein Normalbürger von den Bullen was abkriegt. Das ist ein ganz anderer Weg, sowas darzustellen, und dann kann man eher noch'n bißchen drüber schmunzeln. Der Text basiert auf der Geschichte, die vor ein oder eineinhalb Jahren in Gorleben passiert ist. Da war so eine von den Castor-Demos, wo die Bullen dann auf irgendwelche 60jährigen Bauern losgegangen sind, die da mit ihrem Trecker 'ne Sperre errichtet hatten. Die haben die armen Bauern dann da rausgeprügelt und irgendwie den Trecker zerlegt. Damit hatten solche Leute natürlich auch gar nicht gerechnet. Nun hat unser Schlagzeuger, der diesen Text geschrieben hat, sich daraus folgende Geschichte ausgedacht: Was wäre, wenn so'n Spießbürger mit seiner Familie auf'n Wochenendtrip fährt und auf einmal, von Bullen umringt, in Gorleben im Wald steht und nicht mehr weiß, wie ihm geschieht (lacht). Und sich am Ende im Knast wiederfindet. Ich denke, es ist halt schon 'ne lustige Sache, das auch mal so darzustellen, statt immer so vordergründig wie "Die Bullen sind scheiße! Haut die Bullen tot!" und so. Also, aus dem Alter sind wir einfach raus, sowas ist dann auch 'n bißchen pubertär und, ich würde mal sagen, nicht mehr so ganz passend.

Hat sich da denn nur die Ausdrucksweise verändert, oder habt ihr auch eure Einstellung zu den Themen weiterentwickelt?

Auf jeden Fall letzteres. Das gehört auch beides zusammen. Wenn sich die eigene Sichtweise der Dinge - politischer Art oder wie auch immer - nicht weiterentwickelt hätte, dann kann man auch keine anderen Texte machen. Auch ich bin bestimmt nicht mehr so radikal in meiner Meinung gegenüber solchen Sachen wie ich noch vor 15 oder 18 Jahren war, als wir mit SLIME angefangen haben. Damals war ich so 16/17 um den Dreh, und hatte Wut im Bauch und Haß auf die staatlichen Organe und so weiter. Das war begründet durch die persönlichen Erlebnisse, die man damals so hatte, etwa auf Demonstrationen, oder in der Punk-Szene. Da ist man auch öfters mal selber in den Knast gesteckt worden, ohne Grund, und hat auch schon mal 'n Gummiknüppel in die Seite gekriegt. Und von Freunden und Bekannten hat man noch schlimmere Sachen gehört, was die so erlebt haben. Daraus entwickelten sich halt solche Texte, einfach auch, um zu provozieren und seinen Haß rauszuschreien. Vielleicht auch, um selber Aggressionen abzubauen. Man hat auch nicht lange überlegt, ob das nicht vielleicht auch Auswirkungen haben könnte, die man dann selber doch gar nicht mehr so gut findet. Wenn man etwa den Leuten sagt "Bewerft die Bullen mit Mollies! Einfach so, das bringt's! Dann ist die Gesellschaft schöner!" (lacht). Ich meine, könnte jemand ja so auffassen, der nicht ganz so helle im Kopf ist. Wir hatten damals auch 'ne Diskussion in der Band, wo wir uns fragten, ob wir diese Songs noch live spielen sollen oder ob wir's lieber sein lassen, denn man muß die Leute ja nicht unbedingt zur Gewalt auffordern. Die Leute sollten sich dann lieber selber entscheiden müssen und das nicht so vorgeballert bekommen, mit 'nem Ausrufezeichen dahinter und dem Zeigefinger im Gesicht.

Habt ihr live dann folgerichtig auch auf diese Songs verzichtet?

Mit SLIME haben wir etwa die "Bullenschweine"-Nummer nur ein oder zwei Mal gespielt, weil wir echt Bock darauf hatten, aber sonst haben wir sie immer ausgelassen. Den Titel "Polizei-SA-SS" haben wir dagegen schon öfters gespielt. Der ist vom Text her auch irgendwie noch 'n bißchen anders. Den kann man daher auch noch eher bringen, denn das ist mehr so 'ne Meinungsäußerung. Bei "Bullenschweine" hab' ich dagegen mittlerweile schon echte Probleme, das auch in diesem Stil den Leuten vorzusingen. Da kann ich nicht mehr so dahinterstehen, das ist mir irgendwie auch zu hart. Leute umzunieten oder zu killen, egal wen. Das ist keine Methode, um irgendwelche Probleme zu lösen.

Wie hat denn das Publikum in den Konzerten so reagiert? Die waren ja sicher zum Teil auch da, um eben jene alten Songs zu hören.

Naja, wir haben ja auch genug andere Hits - in Anführungsstrichen - gehabt, so daß das Fehlen einiger spezieller Songs nicht so ins Gewicht gefallen ist. "Religion", "Deutschland muß sterben", "Polizei-SA-SS" und wie die alle heißen, das waren ja auch alles Hits. Und auf der "Schweineherbst" waren ja auch noch genug Stücke drauf, die auch gut ankamen. So gesehen hat sich also nie jemand darüber beschwert. Und im Falle von ELF haben wir ja auch 13 eigene Stücke von der CD sowie mittlerweile immerhin fünf neue. Das ist aber immer noch nicht genug Programm, deswegen haben wir jetzt erstmal noch 'n paar SLIME-Stücke mit reingenommen. Das kommt recht gut an und es macht auch irgendwie Spaß, die alten Sachen wieder zu spielen. Den Leuten gefällt das, sie erkennen die Sachen wieder, und das gibt dem Konzert noch so'n zusätzlichen Kick. Das hebt dann auch die Stimmung direkt etwas.

Das Schreiben der ELF-Texte teilst du dir ja mit euerm Schlagzeuger Andi Hüging. Gibt es da spezifische Unterschiede zwischen euren Texten, oder erzähl mir doch direkt was zu den einzelnen Songs.

ELF Fangen wir mal mit dem Titeltrack an. Der Text zu "German Angst" stammt vom Andi, und da bleibt jedem ein bißchen selbst überlassen, wie er den interpretiert. der ist auch mit Absicht ein wenig im Unklaren belassen. Also, die Texte, die der Andi schreibt, sind auf jeden Fall anders, ist ja klar. Er hat eine ganz andere Art zu schreiben. Aber ich finde seine Texte auch echt gut. Es kann also durchaus passieren, daß auf der nächsten Platte noch mehr Texte von ihm sind und noch weniger von mir, weil er hat's irgendwie schon gut drauf, mit Worten umzugehen. Da hatte ich schon immer so'n bißchen mehr Streß mit. Für mich war das immer ein wenig anstrengend, und ihm fällt das so locker aus der Hand. Mal schaun, wie sich das ergibt. Aber das seh' ich auch nicht so eng. Ich sehe diese Band jetzt auch nicht als eine Art Solo-Projekt an, auch wenn's vielleicht so erscheinen mag, wegen des Namens. Aber das ist schon 'ne richtige Band. Und wenn eben einer dabei ist, der richtig geile Texte schreibt und da auch Bock drauf hat, die beizusteuern, dann hab' ich da gar nix dagegen. Das erspart mir selbst diese Arbeit, und ich kann mich mehr auf die Musik konzentrieren, die ich auf jeden Fall selber schreiben will. Vielleicht nicht ganz und gar, weil wir sie ja dann doch mit der Band zusammen ausarbeiten. Da kommen dann auch Ideen der anderen rein, etwa zum Arrangement, oder auch mal 'n Gitarrenpart für die zweite Gitarre, die dann auch von Martin, dem anderen Gitarristen, selber kommt. Und der Bassmann genauso, also da werden schon Vorschläge eingebracht. Nur die Grundkomposition, die ist schon von mir. Die ELF-Musiker haben alle nebenbei noch andere Bands am Laufen und können dann ja dort ihre eigenen konkreten Ideen verwirklichen. Bei mir steuern sie halt nur ein bißchen bei, aber damit können die auch gut leben. Ich meine, das sind ja alles professionelle Musiker, die sich da jetzt nicht auf Teufel-komm-raus einbringen und unbedingt ihr Solo spielen müssen. Das ist also alles nicht so'n Krampf wie das vielleicht in manchen Rock-Gruppen der Fall ist, sondern eher relativ locker.

Aber es ist schon so, daß ELF letztendlich deine Band ist und du auch so die Promo-Aktivitäten und alles erledigst?

Das dann schon. Klar, ich bin irgendwo auch der bekannteste bei uns oder auch das Aushängeschild der Band, weil ich ja schon bei SLIME und ABWÄRTS gespielt habe. Das kommt dann auch als Promotion erstmal ganz gut. Ich meine, wir haben jetzt ja auch schon tierisch viel über SLIME geredet, was ja auch nicht unbedingt schlimm ist, solange man dann irgendwann noch auf die eigene Band kommt. Aber die Promotion mache ich auch ganz gerne. Ich kann das vielleicht auch noch ein bißchen besser als die anderen, weil die sowas noch nie gemacht haben. Und natürlich ist es irgendwie meine Band, da hast du schon recht. Ich hab' die ganze Sache in Gang gesetzt. Aber, wie gesagt: Es ist kein Solo-Projekt, sondern schon 'ne richtige Rock'n'Roll-Band, die auch noch'n bißchen als Band zusammenbleiben will.

Und wohl auch noch 'n paar Platten mehr machen will. Um direkt bei der Sache zu bleiben: Woher kommt eigentlich dein Spitzname Elf?

Das ist 'ne ganz alte Geschichte aus meiner Schulzeit. Ich kam im siebten oder achten Schuljahr mal auf 'ne neue Schule, und da hatten alle schon ihre Spitznamen weg, nur ich nicht. Naja, und als wir irgendwann auf Klassenfahrt gingen, da kannte ich schon einige Leute, mit denen ich immer rumhing, und da brauchst du halt einen Spitznamen. Nun heiße ich Michael, und Michi oder sowas ist natürlich total blöd irgendwie, denn so heißen alle, die so'n Vornamen haben. Jetzt hatte ich damals so'n T-Shirt an von ALICE COOPER, weil ich von dem ein großer Fan war und immer noch bin. Und meine Klassenkameraden haben dann aus ALICE kurzerhand ELVIS gemacht, und als Kurzform davon entstand dann ELF. Hat aber, wie gesagt, mit dem King rein gar nichts zu tun, sondern da war ALICE eher mein Vorbild gewesen. Und irgendwie hat sich dieser Name halt gehalten, und dann habe ich's auch als Künstlerpseudonym benutzt, weil's auch irgendwie griffig ist. Und genau aus dem Grund bin ich dann auch auf die Idee gekommen, das als Bandnamen zu verwenden. Das war nämlich echt schwierig, sich zu überlegen, wie wir das Ding jetzt nennen. Ich hatte auch keinen Bock darauf, wieder den Namen TARGETS auszugraben von 1984, die Band, die ich damals nach dem ersten SLIME-Split gegründet hatte, denn sonst hätten wir davon auch wieder Stücke spielen müssen. Und überhaupt wollte ich damit jetzt nicht mehr in Zusammenhang gebracht werden, weil das eigentlich alles vorbei und vergessen war. Und sich irgendwie neue Namen aus den Fingern zu saugen ist auch nicht leicht. Es gibt genug Bands, die superbeschissene Bandnamen haben, bei denen du dich wirklich nur totlachen kannst, und in die Falle wollte ich nicht tappen. ELF dagegen ist wertfrei, sind nur drei Buchstaben, kann sich also jeder merken. Entweder die Zahl, oder man bringt es direkt in Verbindung mit meiner Person. Auf jeder SLIME-Platte steht schließlich auch drauf: Gitarre: Elf. Das wissen vielleicht etliche SLIME-Fans und kommen daher darauf, daß das was mit mir zu tun hat, und interessieren sich dann dafür. Das ist natürlich ein weiterer Grund, diesen Namen zu wählen, denn so kannst du vielleicht einfacher was an den Start kriegen, was sowieso schwer genug ist für 'ne Band. Ich gehe aber jetzt nicht unbedingt davon aus, daß sich alle SLIME-Fans dafür interessieren werden. Das ist höchstwahrscheinlich eh ganz anders, fast, wie 'ne neue Band anzufangen.

Na, ob die alten SLIME-Fans heutzutage noch Punk Rock hören? Ich meine, das ist ja auch eine ganz andere Generation ...

Also, auf den letzten beiden SLIME-Touren war es eigentlich so, daß etwa 70 oder 80 Prozent des Live-Publikums junge Kids waren. So richtige Alt-Fans waren eigentlich wenige da, was aber okay ist, denn vermutlich waren die Konzerte auch deswegen so gut gelaufen. SLIME ist halt irgendwie 'ne Kult-Band. Jedes deutsche Punk-Kid, daß anfängt sich für diese Musik zu interessieren, kauft sich garantiert als erstes 'ne SLIME-Platte, da bin ich mir hundertprozentig sicher. Gibt natürlich mittlerweile die ein oder andere neue Band, wie BUT ALIVE oder so, die da nachfolgemäßig angetreten sind und auch anspruchsvolle, aussagekräftige Texte haben. Die werden von diesen Leuten zwar auch gekauft, aber so zwei oder drei BUT ALIVE-Scheiben sind natürlich nicht alles, da kann man sich dann auch noch zwei SLIME-Platten dazwischen stellen. So läuft das offensichtlich, was man daran sehen kann, daß sich die alten Platten immer noch verkaufen. Und das sind wirklich neue Leute. SLIME sind also definitiv keine Band für Oldies!

Als du ELF jetzt als Bandtitel gewählt hast, war dir da bewußt, daß es vor langer Zeit mal eine Hard Rock-Band gleichen Namens gab?

Jaja, klar.

Hat dich aber nicht weiter gestört, oder was?

Das hat mich überhaupt nicht gestört. Das ging uns so dermaßen am Arsch vorbei. Wenn die mal ankommen, dann gibt's wegen mir vielleicht 'n kleinen Skandal. Wenn wir dann den Namen ändern müssen, nennen wir uns vielleicht ZWÖLF oder so, haha.

Laß' uns nochmal auf eure Texte zurückkommen. Wie seid ihr denn auf den Text zum Song "Der Hummer" verfallen?

Also, ... bist du noch da?
tut-tut-tut-tut ...

Na, das war's dann wohl erstmal. Kurz danach ruft Elf nochmal an. Diesmal jedoch nicht mit dem plattenfirmeneigenen Handy, bei dem nämlich der Akku leer war, sondern aus einer Kneipe. Da können wir uns dann auch nicht großartig weiter unterhalten, sondern verabreden einen weiteren Anruf am kommenden Abend. Wobei ich dem Kerl erstmal klarmache, daß wir auch am nächsten Tag noch ein langes Gespräch vor uns haben, wenn er dann genauso gesprächig ist wie heute. Sein Kommentar dazu:

Ja, ich bin halt voll in diesem Groove drin, hier immer weiter zu sabbeln, und das setzt sich halt so fort.

Wie dem auch sei: Am nächsten Abend um halb acht klingelt erneut das Telefon, und ich traktiere Elf direkt wieder mit der letzten Frage des Vortags. Der Text zu "Der Hummer" fällt ein bißchen aus dem Rahmen. Er hört sich am Anfang recht lustig an, und in den letzten zwei, drei Textzeilen merkt man dann, daß er doch ein wenig ernster wird. Kannst du dazu mal was erzählen?

Ja, das ist tatsächlich der merkwürdigste Text auf der Platte, aber wir haben ihn trotzdem genommen, eben weil er so ganz anders ist als das, was wir sonst so an relativ klaren Aussagen bringen. Da steckt halt eine Story hinter, und die muß man kennen, um den Text zu verstehen. Er stammt von unserem Schlagzeuger. Der ist mal 'ne Zeitlang Taxi gefahren in Hamburg. Da hat er tatsächlich mal so 'ne Story erlebt, daß er einen lebenden Hummer bei einer Fischhandlung abholen sollte, so als Exklusivservice halt, und den zu irgendwelchen neureichen Typen nach Hause fahren, zu so 'ner Party, wo er dann gekocht wurde. Da hatte er dann halt so'n lebendes Viech in 'nem Wassereimer auf'm Beifahrersitz. Und da hat er sich überlegt, wie sich das Viech jetzt wohl fühlen mag, das da so durch die Weltgeschichte gefahren wird und so'n völlig begrenzten Horizont hat, weil es halt in diesem Wassereimer sitzt, aber doch denkt, es sei im Meer. Naja, und daraus machte er halt direkt den Anfang zu dem Text. Das Ganze ist aber, glaube ich, frei interpretierbar, vielleicht daraufhin, daß es auch Leute gibt, die sich selber so fühlen wie der eingeschlossene Hummer in seinem Eimer. Das ist dann vielleicht doch schon wieder Gesellschaftskritik. Aber ich weiß gar nicht, ob das jetzt von ihm wirklich so gemeint war, als er den Text geschrieben hat, aber das ist eigentlich auch egal. Denn das ist das Gute an solchen Texten, daß jeder sich selber was drauf zusammenreimen kann, oder auch nicht. Man kann's auch einfach als nonsensmäßigen Text nehmen, wenn man will.

Daß da aber ein bißchen mehr dahintersteckt, wird eben in den letzten beiden Textzeilen klar, die nicht so ganz passen wollen: "Doch in diesem Land wird nur alt, wer seinen Stolz verleugnet."

Ja klar, da wird's dann nochmal auf die gesellschaftliche Ebene gehoben, das Ganze. Da ist man dann unter Umständen in irgendwelchen Zwängen gefangen ... wie auch dieses Viech, was da beschrieben wird. Man ist eben im System irgendwelchen Zwängen ausgesetzt, wodurch man dann auch mal dazu kommt, seinen Stolz verleugnen zu müssen, um durchzukommen und zu überleben, oder dann doch daran zugrunde zu gehen.

Wie der Hummer.

Genau.

In einem anderen Text, zu "Anpassung", schreibst du in einer Textzeile: "Gefühle zählen nicht mehr, nur noch Bits und Bytes." Ist das ein offensichtlicher Angriff auf die Informationsgesellschaft? Siehst du die diesbezüglichen Entwicklungen eher mit Sorge?

Naja, in gewisser Weise schon. Klar sind Computer auch hilfreich, ich habe selber einen zu Hause stehen. In vielen Firmen, auch Plattenfirmen, wird er ja auch viel benutzt, als Bürogerät. Das ist ja normal, da kann man nichts großartig kritisieren. Damit ist eher gemeint, daß die Menschen dadurch teilweise echt entfremdet werden, und manchmal nur noch mit diesen Maschinen zu tun haben in ihrem Berufsleben und gar nicht mehr so viel mit anderen Personen. Wenn man dann so hört, daß der Trend dahin geht, daß die Leute in der Zukunft von zu Hause aus am Computer arbeiten sollen ... was es ja zum Teil auch schon gibt, in Amerika, so modellmäßig. Die Leute kommen gar nicht mehr zu Hause raus, und das ist irgendwie nicht positiv, finde ich. Die haben gar keine direkte Kommunikation mehr mit anderen Leuten. Da gibt's doch so'n genialen Spielfilm ... na, wie hieß'n der ... mit Sandra Bullock, glaube ich ... genau, "Das Netz" heißt der, wo sie halt so 'ne Computerexpertin ist und zuhause am Bildschirm arbeitet, dabei irgendeine Information bekommt, die sie gar nicht kriegen sollte. Und dann wird ihre Identität einfach ausgelöscht, auf sämtlichen Computern alle Daten über ihre Person getilgt, und andere Daten dafür eingesetzt. Sie ist dann auf einmal eine gesuchte Killerin oder so. Das ist jetzt natürlich so ein Hollywood-mäßiges, superkrasses Beispiel, aber natürlich vorstellbar, zumindest in der Zukunft. Die Entwicklung geht ja immer weiter, und man fragt sich, was die Menschheit sich da schon wieder an genialen Erfindungen zusammenbastelt. Wir haben ja auch irgendwann die Atomspaltung gefunden und dann so als erstes mal 'ne Bombe gebaut, und die Computertechnik wird letztendlich auch eingesetzt, um Waffen besser zu machen. Es ist eben nicht alles nur positiv, und darauf zielt der Text, oder diese Textzeile, halt auch irgendwie ab.

Die meisten deiner Texte sind ja irgendwie so gegen das Spießertum und gegen den Normalbürger gerichtet ...

Ja, das ergibt sich ja quasi von selbst, wenn man so Rock'n'Roll-mäßigen Punk Rock spielt, daß man solche Inhalte auch rüberbringt. Das paßt halt irgendwie.

Ist da auch so ein bißchen Resignation mit dabei, so nach dem Motto "Dem Otto Normalbürger, dem kannste eh nicht mehr helfen"?

Ja, ich meine, zu dem Schluß komt man eh ziemlich schnell, wenn man mal ein paar solcher Leute beobachtet, auch vielleicht aus dem eigenen Bekannten- und Verwandtenkreis. Man überlegt sich dann, daß man da auf keinen Fall zu gehören möchte, und dann kritisiert man diese Leute in ihrer Stumpfheit auch leicht. Irgendetwas zum Positiven ändern an den Mißständen, die's hier im Land gibt, wird sich eh nicht, wenn die Leute nicht dazu bereit sind, auch mal zu überlegen, was an ihrem Leben völliger Quatsch ist und was man anders machen könnte, und wo man mal ein bißchen lockerer werden könnte, allgemein gesagt.

Euren Texten nach scheint es euch ja in Deutschland nicht allzu gut zu gefallen. Da stellt sich natürlich die Frage: Warum seid ihr noch hier und noch nicht ausgewandert oder so?

Ist es in irgendeinem anderen Land denn großartig anders oder besser? Außerdem ist es ja auch nicht jedermanns Sache, zu sagen: Ich wandere jetzt aus. Weil man hat ja trotzdem seine Wurzeln hier, seine Familie, seine Freunde ... seine Band. Und es ist ja auch nicht alles Scheiße hier. So ist es ja nun auch nicht, nur weil 'ne Platte jetzt aus solchen Texten besteht. Es ist ja nicht allgemein so, daß es völlige Kacke ist, hier zu leben. Dermaßen revolutionäre Ideen zu haben ist natürlich relativ schwierig in einem Land, in dem es den Leuten dann doch noch relativ gut geht, etwa im Vergleich mit Afrika. Da taucht dann die Frage auf, ob sowas nicht irgendwo lächerlich wird, so völlig übertriebene Vorstellungen zu äußern, wie's anders sein müßte. Andererseits besteht natürlich darin eine Möglichkeit zur Kritik, daß nämlich die Dritte Welt dehalb so am Arsch ist, weil wir selber so reich sind.

Dann bist du also nicht so ein Nur-Kritiker, wie man aus den Texten schließen könnte?

Das Problem diesbezüglich ist, daß unsere Musik ja ein bißchen härter ist. Da kann man ja nicht nur so schöne Lieder auf so 'ne Musik singen, sonder da macht man dann eher auch etwas härtere Texte dazu, die irgendetwas kritisch beäugen und auch aggressiver sind. Und ... bist du noch da?
tut-tut-tut-tut ...

Na prima, das kennen wir doch schon. Diesmal hat der Gute aber zumindest die Möglichkeit, das Handy per Netzstecker in die Steckdose zu stecken, so daß der leere Akku also kein sonderlich großes Problem mehr darstellt. Womit man dann natürlich das Handy per se ad absurdum führt. Aber das soll jetzt unser Problem nicht sein.
Wie ist denn deine Meinung zu euren ganzen Kollegen aus der Deutsch Punk-Fraktion, etwa zu den TOTEN HOSEN oder den ÄRZTEN?

Auf dem Niveau an Verkaufszahlen, das die HOSEN erreichen: Kann das eigentlich noch Punk sein? Ich meine, Punk ist doch irgendwo so'n Underground-Ding, und du kannst nicht mehr Punk sein, wenn du so viele Platten verkaufst. Das geht gar nicht. Wenn du in Fußballstadien auftrittst, wie die TOTEN HOSEN, dann bist du eher 'ne Stadion-Rock-Band als 'ne Punk-Band. Und selbst auf Platte ist das ja auch nicht unbedingt so Punk Rock-mäßig, was die HOSEN machen. Die haben sich eher in den Rock-Bereich hinein entwickelt. Sie sagen natürlich immer noch gerne, daß das Punk ist, weil sie ja auch als echte Punk-Band angefangen haben. Aber mit den Mega-Produktionen, die die so fahren, so ein bis zwei Monate ins Studio und so, also für Punk ist das meiner Meinung nach auch überproduziert.
Die ÄRZTE finde ich da eigentlich sogar noch lustiger, vor allem live, die Bühnenshow und so. Die machen noch so'n richtiges Entertainment, so wie sie drauf sind. Verarschen sich gegenseitig und auch das Publikum, das ist schon recht lustig, sich die live reinzuziehen. Das hat einfach eine eigene Qualität, die ich bei den HOSEN nicht so sehe.

Eine andere deutsche Band, die ja eher kontrovers diskutiert wird, sind die BÖHSEN ONKELZ. Was denkst du denn über diese Band?

Also, ich habe von denen nur einmal eine Platte bei einem Kumpel gehört. Der fragte mich auch, was ich davon halte, und musikmäßig sagte mir das nicht allzuviel. Ist eher banal. was die machen. Ich finde das also nicht so toll, daß ich mir das nun kaufen müßte, und verstehe die ganze Hysterie darum überhaupt nicht. Und diese Fascho-Vergangenheit, die hängt ihnen natürlich nach, da kommt man nicht so schnell von weg. Das ist irgendwie schon 'ne harte Nummer. Ich meine, ich habe auch eine Vergangenheit, in meinem Fall halt eine linksradikale, das könnte man prinzipiell ja auch gegenüberstellen. Aber ich sehe das natürlich schon differenzierter. Ein Ex-Fascho zu sein ist doch noch etwas anderes als ein Ex-Linksradikaler. Und "Ex-" will ich in meinem Fall jetzt auch gar nicht sagen, denn irgendwo steckt das natürlich immer noch drin. Und ich frage mich ernsthaft, inwieweit das bei den ONKELZ nicht auch noch drinsteckt. Also, links sind sie wohl nicht geworden, und sie sagen von sich selber, sie seien unpolitisch. Hab' ich zumindest irgendwo gelesen. Interessiert die alles nicht und so. Kann ja sein, aber das ist letztendlich auch 'ne politische Äußerung, wenn du sagst, du seist unpolitisch. Damit verweigerst du dich ja auch irgendwelchen Diskussionen, oder der Notwendigkeit, klare Aussagen zu machen. Damit hab' ich dann doch ein Problem, daß die zwar sagen, sie seine gegen Faschos, und daß sie die auch aus ihren Konzerten rausschmeißen, aber andererseits hat mir einer deiner Schreiberkollegen erzählt, er sei mal auf einem Konzert von denen gewesen, wo doch 'ne Menge Leute waren, die irgendwie faschomäßig rüberkamen. Und wenn er mir das so erzählt, nehm' ich ihm das auch erstmal ab. Selber überzeugen kann ich mich nicht, weil ich mich, wie gesagt, für deren Musik nicht interessiere und deswegen dann auch nicht hingehe. Ich persönlich boykottiere die also auch weiterhin.
(Anm. d. Verf.: Ich war auch mal auf einem ONKELZ-Konzert, und nach einer Schlägerei im Publikum, über deren Urheber man jetzt streiten mag, haben sich die ONKELZ eindeutig gegen Gewalt ausgesprochen, was ja sicher nicht zu verachten ist. Die "Nazis raus"-Rufe im Publikum verstummten jedoch viel zu schnell wieder, und ein Statement der Band gegen Nazis war leider auch nicht zu vernehmen ...)

Ich habe diese Frgae gestellt, weil speziell auf den neuen ONKELZ-Platten auch Texte drauf sind, die exakt dieselbe inhaltliche Aussage haben wie eure Texte, so gegen das Spießertum und den Normalbürger.

Ja, das will ich denen auch gar nicht absprechen, oder auch, daß sie sich wirklich verändert haben in ihrem persönlichen Leben und in ihrer politischen Meinung. Das ist für mich aber immer noch kein Grund, sie toll zu finden.

Soweit Elf über seine aktuelle Band, SLIME, die Gesellschaft und den ganzen Rest. Leider hatte ich nicht die Gelegenheit, mir diese Band live anzuschauen, als sie vor einigen Wochen bei uns auf Tour war. Aber vielleicht klappt's ja beim nächsten Mal.

Restless


 Zurück zu den Interviews
 Zurück zur Hauptseite
Suche:
powered by crawl-it
Valid HTML 4.01!