Samstag, 16. August 1997, Köln (Stadthalle Mülheim)
Scheiss Popkomm! Es ist herrlichstes Wetter, und man kommt einfach nicht dazu, sich abends mal ganz gemütlich irgendwo in den Biergarten zu setzen, weil ständig irgendwelche Konzerte sind. Heute sogar zwei, die sich eigentlich lohnen: Im Luxor ist ein erstklassiges Metal-Package zugange (VIRGIN STEELE, RAVEN, TANK, HAMMERFALL, LAKE OF TEARS), das ich aber auch schon auf dem Wacken Open Air gesehen habe. Darüberhinaus ist das Luxor ein recht kleiner Schuppen, der wohl ausverkauft sein dürfte (was sich später dann auch bestätigte), und da die Decke sich nur wenige Zentimeter über den Köpfen befindet, kann man sich ausmalen, was dort heute abend für ein Klima sein wird, wenn es draußen schon 30 Grad sind. Also habe ich mich geschickterweise für das Festival in der Stadthalle Mülheim entschieden, von dem man erwarten konnte, daß auch was für's Auge geboten wird.
Zunächst mal gab's noch eine Hürde am Eingang zu überwinden, da ich nicht auf der Gästeliste stand, dafür aber ein gewisser Markus, den es nicht gibt. Da hat der Century Media-Promoter wohl offensichtlich meinen Vornamen nicht richtig verstanden. Nach ein bißchen Warterei, die dazu führte, daß wir die zweite Band auch verpaßten, und der Intervention eines offensichtlich wichtigen und zum Glück auch sehr hilfsbereiten Menschen kamen wir dann doch umsonst und inklusive Fotopaß in die Halle, in der uns erstmal ein naßgeschwitzter Ordner entgegenkam. Den Befürchtungen zum Trotz war das Klima dennoch relativ erträglich, was wohl zum einen daran lag, daß die Halle nicht sehr voll war, zum anderen daran, daß ich nach den Konzerten der letzten beiden Abende sowie der Nacht im Bonner "Rockhoven" (einer Kellerkneipe, die am 15.8. dichtmachte, und in der zum Abschluß noch mal amtliche Sauna- bzw. Tropenverhältnisse herrschten) einiges gewohnt war.
Wie gesagt, hatten wir TREPONEM PAL und BLACKSHINE bereits verpaßt,
wovon ich die zweite überhaupt nicht kannte und die erste für mich
auch nicht so ungeheuer wichtig war. Ich hätte sie mir allerdings durchaus
angeschaut, so nach dem Motto: Wenn ich schonmal hier bin ...
Aber sei's drum. Irgendwann enterten THINK ABOUT MUTATION die Bühne, was
allerdings nur die wußten, die die sehr geschickt im Innenhof der
Halle ausgehängte Running Order gesehen hatten (vielleicht 10% der
Anwesenden) oder die Band kannten. Ich persönlich nannte mal eine CD
der Truppe mein eigen, hatte diese aber seinerzeit meinem Bruder geschenkt, da
mir der enthaltene EBM-Metal-Radau etwas zu abgefahren war. An
diesem Eindruck konnte auch der heutige Abend nichts ändern, was
andererseits aber auch nicht heißen soll, daß der Auftritt schlecht
gewesen wäre.
Im Gegenteil: Diese Art der Musik kann man live kaum besser
umsetzen, als THINK ABOUT MUTATION das gemacht haben. Keiner der Musiker stand
still, die gesamte Band (mal abgesehen vom Schlagzeuger) rannte herum, sprang
durch die Gegend und zappelte krankhaft über die Bühne. Allen voran
der Sänger, der sich die Seele aus dem Leibe zu schreien schien. Er
krönte seine Gestik irgendwann damit, daß er kurzerhand das Mikro
in den Mund steckte, weiterschrie und nun beide Hände zum Rumzappeln
frei hatte. Bemerkenswert an der insgesamt gelungenen Vorstellung der Band
war also vor allem die Intensität, mit der die Jungs ihre Songs
runterbrieten; die Musik selber ist allerdings nach wie vor nicht so ganz mein
Ding, auch wenn ich seit
OOMPH!
ja der Symbiose aus EBM und Metal durchaus etwas abgewinnen kann.
Danach wurde es musikalisch etwas ruhiger, dafür aber deutlich voller.
Während noch bei THINK ABOUT MUTATION viele Anwesende im sehr großen
Foyer der Halle abhingen, bewegten sich die Massen zu Beginn des SUNDOWN-Sets in
die eigentliche Halle. An dieser Stelle sei erwähnt, daß die
Stadthalle Mülheim zwar ein durchaus ansprechender Veranstaltungsort ist
- u.a. gute ÖPNV-Anbindung, übersichtlich (wenn man jemanden sucht,
findet man ihn auch), freundliche Ordner - daß aber die
Soundqualität konstruktionsbedingt nicht gut sein kann. Es handelt sich
hierbei um eine typische Halle für Empfänge, Tanzabende oder
Karnevalsveranstaltungen. Die prunkvollen Kronleuchter stören zwar die
Akustik nicht unbedingt, wohl aber die hintere Hallenwand, die einfach alles
reflektiert, was an Sound von vorne kommt. Dafür ist die Bühne hoch
genug, daß man von überall was sehen kann, und unsereins als
Fotograf hatte aufgrund des zwei Meter breiten
- und damit eigentlich etwas überdimensionierten - Fotograbens
hervorragende Bedingungen. Daß auch die Bühne von der Fläche
her beinahe riesig und damit für unerfahrenere Bands viel zu groß
ist, ist eine andere Geschichte.
Unerfahren sind die Jungs von SUNDOWN allerdings ganz bestimmt nicht, und so
nutzten sie den zur Verfügung stehenden Platz ganz ordentlich. Damit meine
ich vor allem Sänger und Frontmann Matthias Lodmalm, der offensichtlich
noch ein bißchen mehr abgenommen hat und sich die Haare wieder wachsen
läßt. Die Band brachte das Material des Albums "Design 19"
deutlich kraftvoller und härte rüber, als ich es von der CD gewohnt
war. Hinzu kommt, daßt die einzelnen Bandmitglieder mittlerweile wohl
deutlich besser aufeinander eingespielt sind als früher, und so kam der
Auftritt beim Publikum doch deutlich besser an als vor einem halben Jahr
auf den
Out of the Dark III-Festivals
in der Kölner Live Music Hall. Es spielte aber wohl auch eine Rolle, daß
eben jene CD mittlerweile lange genug draußen ist, so daß genug
Fans wissen, was sie von dieser Band zu erwarten haben. Und das waren heute
abend eben Songs wie "Slither", "Synergy",
"Aluminium" oder eben "19", die mir und der Mehrzahl der
anderen Anwesenden durchweg gut gefielen. Fazit: SUNDOWN haben sich ganz
ordentlich verkauft, und die Fans waren zufrieden.
MOONSPELL hatte ich vorher bereits zweimal gesehen, einmal unter guten
(bei einem
Festival mit CREMATORY, SAMAEL und anderen)
und einmal unter miserablen (im Vorprogramm von
TYPE O NEGATIVE) Bedingungen.
Heute waren die Bedingungen durchaus gut, und ich war gespannt, was die Mannen
um Fernando daraus machen und welche Songs sie spielen würden.
Als die Band nach einem kurzen Intro die Bühne betrat, gab es zunächst
aml zwei Dinge zu vermelden: Negativ: Der Sänger hat seine mittlerweile
wohl legendären Fledermausflügel nicht an, was aber durchaus zu
seinen Äußerungen in diversen Interviews paßt, nach denen er
diesen Gag eben nicht überstrapazieren will. Positiv: Die sehr böse
wirkende Schminke. Im Laufe von etwa fünfzig Minuten spielten die
Portugiesen ein vor allem aus "Irreligious"-Material bestehendes
Programm runter und wirkte dabei trotz der Notwendigkeit, den Basser erst vor
kurzem ersetzt haben zu müssen, durchaus routiniert.
Zu den musikalischen
Perlen gehörten "A Taste Of Eternity", "Ruin And
Misery", "Opium" (natürlich), "Raven Claws",
"Vampiria" und "Mephisto". Ein neuer Song namens
"Second Skin" wurde auch zum Besten gegeben.
Und dann, als Zugabe - lange nicht
gespielt, aber immer wieder gefordert - "Alma Mater", bei dem Band
wie Fans nochmal zu Hochform aufliefen. Im Großen und Ganzen durchaus
gelungen, obwohl mich die etwas zurückhaltende Lightshow enttäuschte.
Ich weiß nicht, ob es daran lag, daß der Aufbau der Lichttechnik
vor allem auf den Headliner TIAMAT zugeschnitten war, oder ob die Band einfach
nicht wußte, wie sie das Songmaterial optisch besser hätte
untermalen können. Vielleicht beim nächsten Mal wieder.
Mit dem Headliner des Abends, TIAMAT, betrat nach einer recht langen Umbaupause
eine der umstrittensten Bands dieses Jahres die Bühne. Die neue Scheibe
"A Deeper Kind Of Slumber",
die mal wieder eine drastische
Entwicklung dokumentierte und viel psychodelisches Geblubber statt ordentlicher
Musik enthält, hat viele Leute vor den Kopf gestoßen.
Und
offensichtlich waren auch einige Leute gar nicht wegen TIAMAT hier bzw. hier
gewesen. Hatten sich bei SUNDOWN vielleicht 800 Leute in der Halle verteilt,
so waren es bereits bei MOONSPELL ein paar weniger, und auch bei TIAMAT sank
die Zuschauerzahl nochmal ein wenig ab. Mir war's egal, war ich doch in erster
Linie hier, um die optischen Effekte der TIAMAT-Show mitzubekommen. Und diese
Grundeinstellung erwies sich als goldrichtig.
Die Songauswahl beinhaltete
für meinen Geschmack zuviel Material der aktuellen Scheibe, was
verhinderte, daß allzuviel Stimmung im Publikum aufkam.
Los ging's mit "The Desolate One", was ich nicht unbedingt für
einen optimalen Einstieg halte.
Zu nennen wären weiterhin
"Only In My Tears It Lasts", "The Ar", "The
Whores Of Babylon" oder das zugegebenermaßen sehr gute "Cold
Seed". An alten (naja...) Sachen spielte man "Visionnaire",
"Gaia" und "The Sleeping Beauty" - letzteres allerdings
in einem moderneren Soundgewand und daher für die alten Fans
enttäuschend". Ich habe auch so ein bißchen das Gefühl,
daß TIAMAT oder zumindest Johan es vollkommen egal ist, was die Fans
hören wollen; sie spielen das, was sie spielen wollen, und fertig.
Auffällig war auch, daß Johan sich immer schon während der
letzten Takte eines Stückes mit den Worten "Thank you" beim
Publikum bedankte, und das war auch so ziemlich der einzige Kontakt, der
zwischen Band und Fans zustande kam. Aber - kommen wir nun zum Positiven -
für's Auge wurde tatsächlich was geboten:
Abgesehen von den schon
früher eingesetzten Projektionen an die Bühnenrückwand hatten
sich alle Musiker den freien Oberkörper samt Kopf mehr oder weniger
einfallsreich mit Leuchtschminke verziert, die dank der UV-Beleuchtung auch
gut zur Geltung kam.
Ein darüberhinausgehender Einsatz der Beleuchtung
blieb sparsam, aber effektiv. Bewegung war auf der Bühne allerdings kaum.
Gegen Ende des Konzerts war ich zwar zufrieden, weil ich von TIAMAT nicht mehr erwartet hatte, aber für die bevorstehende Tour sollten sich die Jungs vielleicht doch noch was einfallen lassen, um nicht alle alten Fans zu verlieren. Entweder sie spielen noch einen oder mehrere richtig alte Songs (Wie wär's mit "Sumerian Cry"?) oder sie sollten ihre Lightshow weiter perfektionieren, damit die Konzerte der Band auch weiterhin ein paar Leute anziehen.
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